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London


Ein Gentlemen's Weekend in St. James



05.12.2009   Autor: Dr. Thomas Hauer

Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem sich Männer noch als echte Gentlemen fühlen dürfen, dann in der Themsemetropole London. Wo sonst auf der Welt begegnen einem beim Lunch kaum 25jährige Investment-Banker im Maßanzug mit Bowler Hat und Einstecktuch oder bevölkern schrullige Lords mit seidenbespannten Regenschirmen und handgemachten Schuhen aus Cordovan Leder, für deren Gegenwert man auch einen Kleinwagen erstehen könnte, die Straßen? Alles natürlich gepaart mit typisch englischem Understatement, das böswillige Zeitgenossen für Arroganz, Kenner dagegen für "the Essence of being British" halten. Das natürliche Habitat des wahren Gentleman und all jener wissbegierigen Eleven, die es in dieser Disziplin zu wahrer Meisterschaft bringen wollen, ist dabei ohne Zweifel der Stadtteil St. James, wie sich KULINARIKER-Autor Thomas Hauer bei einem Weekendtrip ins winterliche London überzeugen konnte.


St. James London

Unsere Agenda ist lang, sehr lang. Eigentlich haben wir keine Ahnung, wie wir das alles in 72 Stunden schaffen sollen. Aber ein echter Gentleman behält auch in auswegloser Lage stets die Contenance und fügt sich ohne Klagen in das Unvermeidliche. Außerdem sind die meisten der Adressen, die auf unserer Liste stehen, schon älter als unsere Ur-Ur-Großväter und werden wohl noch Kunden empfangen, wenn wir längst nicht mehr sind - also warum hektisch werden? Und in der Tat finden sich in St. James nur die besten Adressen, deren bloße Erwähnung Herren (und ggfs. auch Damen) auf der ganzen Welt in Verzückung versetzt.

Das passende Umfeld für den Gentlemen

Ob das Maßschuhkabinett von John Lobb, die altehrwürdige Wein- und Spirituosenhandlung von Berry Bros.&Rudd, Drogist Dr. Harris, die weltbekannte Jermynstreet mit Hemdenschneider Thomas Pink und Co., die Geschäfte der Burlington Arcades oder der noblen Bond Street - wirklich alles, was ein Gentleman für einen gelungenen Auftritt oder ein stilvolles Präsent benötigt, ist in St. James im Umkreis von nur wenigen hundert Metern zu bekommen und das entsprechende Parkett, auf dem man sich und seine Neuerwerbungen stilvoll ins Szene setzen kann, steht mit dem altehrwürdigen Hotel Ritz, dem St. James oder gar dem Buckingham Palace auch gleich im direkten Umfeld parat. Kulinarisch sind wir freilich zu einigen Konzessionen bereit, denn die umliegenden Quartiere wie Westminster, Mayfair, Piccadilly oder Covent Garden haben einfach zu viel zu bieten, um sie links liegen zu lassen. Als Domizil für unser Gentleman Weekend haben wir das traditionsreiche St. James Hotel & Club gewählt, dass in einer ruhigen Seitenstraße der St. James Street am Park Place 7-8 liegt, gleich unterhalb des gewaltigen Ritz´-Komplex. Ein kleines (60 Zimmer), aber ausgesprochen feines Townhouse-Luxushotel, das zudem noch einen altehrwürdigen Traveller´s Club mit mehr als 150jähriger Geschichte beherbergt.

Seitdem das Haus aufwendig renoviert wurde und zur deutschen Althoff-Collection gehört, ist das St. James Hotel wieder ein wahres Schmückstück und eine der ersten Adressen der Inselhauptstadt. Standesgemäß haben wir die großzügige und elegante St. James Suite im Penthouse bezogen, von der wir das London Eye und Big Ben im Visier haben. Gleich um die Ecke liegt die Residenz von Prince Charles im St. James Palace.

Das ganze Hotel und auch unsere Suite ist vollgestopft mit zahllosen hochwertigen Originalkunstwerken der 20er und 30er Jahre aus der Berliner Sammlung Rosenstein, die den von Anna Maria Jagdfeld gestalteten Räumen einen ganz eigenen, zeitlosen Charm verleihen und die in den kommenden Jahren durch weitere Zukäufe ständig erweitert werden soll. Besonders beeindruckend: die zahlreichen expressionistischen Portraits in der Hotel-Bar bzw. dem Frühstücksraum.

Unter dem Regiment des deutschen Hoteliers Thomas Althoff

Natürlich fiel unsere Wahl nicht ganz uneigennützig auf das St. James Hotel, denn in seinen altehrwürdigen Mauern befindet sich - ein Markenzeichen der Hotels von Thomas Althoff - ein Restaurant, das auf dem besten Weg ist, eines der besten der Stadt zu werden: das Seven Park Place unter Leitung des Briten William Drabble, ehemaliger Head Chef des Sternerestaurants Aubergine in Chelsea. Am Abend nach unserer Ankunft bereiten wir uns hier mit einem ausgedehnten Dinner - u.a. mit herrlichen schottischen Jakobsmuscheln mit Meerfenchel-Zitronenvinaigrette, einem delikaten Wachtelsalat, schlichtweg fantastischem Lune Valley Lammrücken mit Rosmarin und zum Abschluss erstklassigem britischen Käse mit einem ordentlichen Schluck gereiften Porters - auf die vor uns liegende Einkaufsschlacht vor. Nach einer kurzen Nacht serviert man uns am Morgen in unserem privaten Speisezimmer unserer Suite ein prachtvolles British Breakfast und reicht dazu die London Times - ich komme mir vor wie Sir Richard Bellamy im Haus am Eaton Place. Doch wir haben keine Zeit zu trödeln, das ist schließlich keine Vergnügungsreise.


St. James London Cuisine

Gentlemen im Shopping-Rausch

Als erstes steht die Jermyn Street mit Ihren unzähligen Hemden- und Schuhläden auf der Agenda - übrigens findet sich zwischen all den Ausstattern hier unter der No. 93 auch eine der besten Käseadressen Londons. Schon Churchill stellte fest: "A true gentleman only buys his cheese from Paxton & Whitfield".

Dank des noch immer relativ schwachen Britischen Pfundes und des mittlerweile auch in London ganzjährig grassierenden Sale-Fiebers ist ein Einkauf bei Thomas Pink, Charles Tyrwhitt, Turnbull & Asser, wo die Hemden für James Bond geschneidert werden, oder den Schuhateliers von Barker´s oder Church´s vielleicht noch immer kein echtes Schnäppchen, aber zumindest weit davon entfernt, ruinös zu sein, wie das noch vor wenigen Jahren der Fall war. So geht es Schlag auf Schlag: hervorragende Hemden mit Perlmuttknöpfen und Umschlagmanschette bei Thomas Pink (das erst 1984 gegründete, mittlerweile zu LMVH gehörende Label ist praktisch das Nesthäkchen der alt ehrwürdigen Jermynstreet) für 49?, Sterlingsilber- und Emaillemanschettenknöpfe für 69? gleich nebenan, handgemachte, rahmengenähte Schuhe aus englischer Produktion von Barker reduziert von 300? auf nur noch 99? - so macht Shoppen Spaß.
Behandelt wird man in den traditionsreichen Ladengeschäften in St. James, wie in ganz London, stets, als sei man der Prince of Wales persönlich - ja selbst unser an diesem Samstag morgen wenig gentlemanhaftes Äußeres führt noch nicht einmal zu einer erhobenen Augenbraue. Vielmehr heißt es allenthalben: "Welcome Sirs, how may we help you!"

Erst einmal in Fahrt, beschließen wir, dass es nun an der Zeit ist, dem heiligen Gral britischer Schuhmacherkunst zu huldigen und wir betreten andächtig den winzigen Laden von John Lobb in No. 9 St. James Street - eben hier residierte einst vor mehr als 200 Jahren ein gewisser Lord Byron.

"Spezial-Karosserie" für den Herrn

Bei John Lobb werden ausschließlich Maßschuhe in altbewährter Handwerkstradition und einer Qualität hergestellt, die weltweit unübertroffen ist - sorry, italienische Schuhe haben hier nicht den Hauch einer Chance. Natürlich werden wir auch hier auf das freundlichste begrüßt, selbst wenn für die Schuhexperten, Verkäufer wäre für diese Herrn keine angemessene Bezeichnung, auf den ersten Blick erkennbar ist, dass wir uns die hier hergestellten Schmuckstücke niemals werden leisten können - die Preise beginnen erst im vierstelligen Bereich. Geduldig erklärt uns ein Meister das exakte Procedere vom ersten Maßnehmen bis zum fertigen Schuh und versichert uns, wäre ein Holzmodel unser Füße erst einmal im Archiv von John Lobb abgelegt, würden unsere Maße dort bis ans Ende unserer Tage und darüber hinaus erhalten bleiben. Auch das eine Form der Unsterblichkeit.

Natürlich ist auch das Thema Körperpflege für einen echten Gentleman von eminenter Bedeutung - wie gut, das gleich neben John Lobb die Drogerie von Dr. Harris residiert, die auf eine mehr als zweihundertjährige Geschichte zurückblicken kann und in der man vom Dachshaarrasierpinsel, handgeschmiedeten Rasiermessern über Ebenholzhaarbürsten bis hin zu hochkonzentrierten pastösen Shampoos mit Amalfizitronenaroma und zahlreichen Elixieren und geheimnisvollen Tinkturen so ziemlich alles kaufen kann, was der Gentleman für eine ordentliche Herrentoilette benötigt. Einzig die traditionellen Duftwässerchen, die Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts kreiert wurden, wollen uns Nachgeborenen heute so gar nicht mehr recht schmecken. Eine Ausnahme sind die Produkte der britischen Traditionsmarke Penhaligon's (z.B. das 1902 für den Duke of Marlborough kreierte Blenheim Bouquet), deren Hauptgeschäft aber nicht in St. James, sondern unweit des Covent Garen zu finden ist.
Nach Dr. Harris gehen wir noch schnell bei der traditionsreichen, bereits 1698 an dieser Stelle gegründeten Weinhandlung von Berry Bros.&Rudd am Ende der St. James Street vorbei und erwerben für 24,95? einen Blanc de Blanc Grand Cru Champagner unter dem Hausetikett aus der kleinen Gemeinde Le Mesnil-sur-Oger, (Kenner spitzen hier die Ohren), die wir auf unserem unverschämt bequemen Hotelbett köpfen und zusammen mit ein wenig Blue Stilton und köstlichem Stinking Bishop (vergleichbar mit Epoisses) von Paxton&Whitfield genießen. Zum Dessert noch einige der köstlichen Tea Bicuits aus der PRET-A-PORTEA Kollektion des nobeln Berkeley Hotels in Knightsbridge, die stets aktuell ausgewählten Haute Couture Kreationen nachempfunden werden und - wenngleich köstlich - zum Essen fast zu schade sind. In der Wintersaison 2009 wurden u.a. Designs von Christian Dior, Burberry, Christian Lacroix und Louis Vuitton aufgegriffen. Übrigens kann man sich die Biscuits in Innerlondon (SW1) auch bequem und sehr stylisch per Vespa - in pistaziengrün und pink - bis ins Hotel, Office oder auch nach Hause liefern lassen. 10 Biscuits schlagen dann mit 25? zu Buche. Da die Biscuits ausgesprochen sensibel sind, werden die in der Regel per Taxi hinter der Vespa hergeschickt und erst ein paar hundert Meter vor der Zieladresse in die Vespa umgeladen. Typisch London.

Auf Promi-Spuren beim Abendessen

Gegen 20.00 Uhr brechen wir in neuen Hemden, zusammengehalten von handgehämmerten Manschettenknöpfen und unverschämt schicken Samtsakkos aus der Savile Row, der "golden mile of tailoring", bewaffnet ins noble Connaught Hotel in Mayfair auf. Dort nehmen wir in der schicken Coburg-Bar eine fantastische Bloody Mary und himmlische Martinis, umgeben von einer jungen, typisch Londoner Upper Class Crowd, die hier ihre Boni oder über Jahrhunderte angehäuften Familienreichtümer bei Krug und Co. wieder unters Volk bringt, während wir auf unseren Tisch zum Abendessen nebenan warten. Denn eigentlich sind wir wegen Londons neuestem In-Lokal, dem Scott´s, nach Mayfair gekommen. Madonna und Prince William sind hier regelmäßig Gäste und das reicht aus, dass der Laden brummt, der eigentlich schon uralt ist, aber eben erst vor kurzem von den Promis (wieder)entdeckt wurde, nachdem hier schon einmal in den 60er Jahren die Jeunesse Dorée die Puppen tanzen ließ. Die angebotenen Fisch- und Seafoodgerichte sind von ordentlicher, aber nicht gerade überwältigender Qualität - die Preise dafür happig. Andererseits: Wenn am Nebentisch auf einmal Gwyneth Paltrow Platz nimmt, ist man gerne bereit auch über manche Unzulänglichkeit hinwegzusehen.

Auch am Sonntag kann man in London problemlos shoppen - selbst viele der kleinen Läden öffnen spätestens um 11.00 Uhr ihre Pforten, die Departmentstores ohnehin. Wir entscheiden uns an diesem Vormittag aber für einen Brunch im zu den Leading Hotels gehörenden One Aldwych in Covent Garden. In einem ehemaligen Verlagshaus hat Gordon Campbell Gray hier ein modernes Design-Hotel geschaffen, in dessen auf einer Balustrade über der Lobby gelegenen Restaurant Indigo man für 25? einen drei gängigen a la carte Brunch ordern kann. Toll: Die Spagetti mit Hummer und Zitronen. Durch die riesigen Fensterflächen beobachtet man derweil das geschäftige Treiben rund um die Musical-Theater und zahllosen Shops der Umgebung. Am Nachmittag steht dann noch ein Spaziergang entlang der Themse und ein Besuch des London Towers auf dem Programm bevor wir nach einem kurzen Abstecher in die Tate Modern den Tag in einem typisch englischen Pub bei Shepards Pie und Ale ausklingen lassen.

Was braucht der wahre Gentleman

Der Montag hat es dann noch einmal in sich - am Morgen klappern wir einmal mehr die Geschäfte rund um die St. James Street ab, auf der Jagd nach kleinen Accessoires, die den wahren Gentleman vom Banausen unterscheiden, wie Sterlingsilberschuhlöffel oder Cashmere gefütterte Hirschlederhandschuhe, bevor wir gegen 12.00 Uhr in den Cinnamon Club in Westminster aufbrechen. Dieses indische Lokal, dass wir bei unserem letzten Besuch im April 2009 entdeckt haben, bietet indische Küche auf Sterneniveau auf Grundlage britischer Zutaten kombiniert mit indischen Garmethoden und Gewürzen. Wir wählen als Lunch ein Fünf-Gang Wildmenü mit Fasan, spektakulärem Rebhuhn und geschmortem Rothirsch. Das Zusammenspiel von Wild - das in Indien praktisch nie auf der Speisekarte steht, weil es dort schlichtweg bereits vor Jahrhunderten ausgerottet wurde - mit den exotischen Würznoten des Subkontinents ist schlichtweg atemberaubend. Ein must: der Perfect Lassi. Etwas besseres haben wir bisher nicht gekostet. Wer eher Wein zum Essen mag (normalerweise trinkt man in Indien keinen Alkohol zum Essen), findet auf der Karte so ziemlich alles, bis hinunter zum 47er Cheval Blanc. Dabei kommt das Restaurant ganz ohne indische Folklore, Saris und Räucherstäbchen aus. Vielmehr wirkt das in der ehemaligen Parlamentsbibliothek von Westminster untergebrachte Restaurant eher typisch britisch. Das gilt auch für den exzellenten Service und vor allem für Küchendirektor Vivek Singh - dem kreativen Kopf der Küchenbrigade, der in der City ein weiteres Restaurant, die Cinnamon Kitchen, betreibt.

Nach dem Lunch springen wir Hals über Kopf in eines der typischen London Cabs und fahren noch schnell zum Ritz, bevor wir am frühen Abend wieder in Richtung München abheben, denn dort sind wir um 15.00 Uhr zum Afternoon Tea angemeldet. Wer einen Tisch im prachtvollen, altehrwürdigen Palm Court zum Champagne Tea ergattern möchte, muss sich früh entscheiden - an einem Wochenende sollte man mindestens 12, besser 16 Wochen im Voraus buchen. Ein Spontanbesuch ist aussichtslos. Mit 100? für zwei Personen reißt die Teestunde allerdings ein ziemliches Loch in unsere bereits arg strapazierte Reisekasse, aber in keinem anderen Londoner Hotel ist das 19. Jahrhundert und damit die wahre Blütezeit echter Ladies and Gentlemen präsenter als im Ritz. Deshalb ist dies auch ein stilvoller Schlussakkord unseres Weekends in St. James. Bepackt mit unzähligen Tüten, Kästchen und Schachteln, die meisten verziert mit den stolzen Wappen königlicher Hoflieferanten, starten wir nach dem Tee vom St. James Hotel in Richtung Flughafen.See you next time in London.

Weiterführende Links:

www.stjamesclubandhotel.co.uk

www.campbellgrayhotels.com

www.theritzlondon.com

www.lhw.com

www.the-connaught.co.uk

www.the-berkeley.co.uk

www.johnlobb.com

www.bbr.com

www.church-footwear.com

www.scotts-restaurant.com

www.cinnamonclub.com

www.thomaspink.com

www.turnbullandasser.co.uk

www.paxtonandwhitfield.co.uk



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